Bestandsgeschichtliche Einleitung (Übertrag aus dem Findbuch von 1978)
Das Geheime Zivilkabinett entstand im Jahre 1713 nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I. als Regierungsbüro des Königs und ist eine typische Behörde des Absolutismus. In ihr entschieden die preußischen Könige bis 1806 mit Hilfe subalterner Sekretäre alle wichtigen, aber auch weniger wichtigen Staatsangelegenheiten. Das Kabinett bestand bis zum Sturz der Hohenzollernmonarchie durch die Novemberrevolution 1918. Stellung und Bedeutung des Geheimen Zivilkabinetts haben sich im Verlauf seiner Geschichte mehrfach geändert.
Die Akten der Kabinettsregistratur aus der Zeit des Feudalismus und des Kapitalismus sind nach Einführung des Provenienzprinzips im Jahre 1881 in zwei Beständen untergebracht worden,· in Rep. 96 und Rep. 89, die wiederum in Teilbestände zerfielen. Der Schnitt zwischen Rep. 96 und Rep. 89 A - H lag bei 1797. Die Zäsur wurde mit der veränderten Stellung des Kabinetts unter Friedrich Wilhelm III. und mit der Einstellung der doppelten Berichterstattung der preußischen Diplomaten an das Kabinett und das Departement der auswärtigen Angelegenheiten begründet. Seit 1797 berichteten die preußischen Diplomaten nur noch an das Auswärtige Departement.
Im Zuge der innerarchivischen Bestandsabgrenzung in den Jahren nach 1967 wurde als Zäsur zwischen der Überlieferung aus der Zeit des Feudalismus und des Kapitalismus das Jahr 1807 festgelegt, da die militärische Niederlage Preußens bei Jena und Auerstedt Ausgangspunkt für Reformen im Staatsapparat und in anderen gesellschaftlichen Bereichen Preußens war. Diese Zäsur wurde auch auf die Kabinettsregistratur angewandt. Das hatte zur Folge, daß bei der Neubearbeitung des Bestandes Geheimes Zivilkabinett aus der kapitalistischen Epoche in den Jahren 1967 - 1969 nur die Reposituren 89 A - H zusammengeführt wurden, die Rep. 89 dagegen, deren Akten von 1797 bis 1806 reichten, in die Rep. 96 als Rep. 96 A eingegliedert und entsprechend umsigniert wurden.
Die Aktenabgaben aus der Kabinettsregistratur an das Geheime Archiv bzw. das Archivkabinett begannen im Jahre 1740. Die Kabinettsregistratur bildete einen eigenen Bestand, der erst nach 1850 auf die Alten Reposituren aufgeteilt worden ist. Nach Einführung des Provenienzprinzips wurden die Akten aus den Alten Reposituren wieder herausgelöst, von F. Bailleu und F. Meinecke verzeichnet und als Rep. 96 (1713 - 1797) bzw. Rep. 89 (1797 - 1806) aufgestellt. Bailleu hat bei der Bearbeitung der Kabinettsakten die Minüten und die Extrakte zu den Kabinettsvorträgen nicht in die Verzeichnung einbezogen. Dagegen hat F. Meinecke, als er die Kabinettsregistratur von 1797 bis 1806 bearbeitete, die Minüten, die Remissionsjournale und einen Band Extrakte für Kabinettsvorträge in den Bestand als Titel 57 bzw. 21 aufgenommen. Das ist aus der Signierung der betreffenden Bände, die von Meineckes Hand stammt, zu schließen. Da das Findbuch von Rep. 89 nicht an unser Archiv gelangt ist, wurde der Bestand im Jahre 1951 durch den damaligen Archivar-Anwärter K.-H. Henning verzeichnet und durch ein neues Findbuch erschlossen. Bei der Neubearbeitung des Bestandes wurde dessen auf F. Meinecke zurückgehende Strukturierung beibehalten. Die Minüten und Remissionsjournale wurden jedoch nicht in die Neuverzeichnung einbezogen.
Die Minüten und Extrakte für die Kabinettsvorträge waren bisher lediglich von dem Kabinettsarchivar Hoefer im sog. "Weißen Buch", das von dem Kabinettsarchivar Diestel Mitte des 18. Jh. für das Archivkabinett angelegt und im vorigen Jh. vom Kabinettsarchivar Hoefer ergänzt und überarbeitet worden ist, verzeichnet. Diese Verzeichnung ist sehr unzulänglich, das "Weiße Buch" seit der Neubearbeitung der Bestände nach Einführung des Provenienzprinzips nicht mehr kurrent. Die längst notwendig gewordene Neuverzeichnung der Minüten, der Extrakte für die Kabinettsvorträge und der Remissionsjournale erfolgte im Jahre 1976 durch den Fachschulpraktikanten H. Pätzold unter Anleitung von Dipl.-Archivarin Dr. M. Kohnke, die im Jahre 1978 die endgültige Ordnung vornahm. Dieser Teilbestand der Kabinettsregistratur erhielt die Signatur Rep. 96 B und ist in drei Gruppen untergliedert worden:
I. Abschriften von Kabinettsorders (Minüten), 1728 - 1809 II. Extrakte aus Suppliken und Berichten für den Vortrag im Kabinett, 1764 - 1792 III. Remissionsjournale (Verzeichnisse von im Kabinett eingegangenen Schreiben, die zur Bearbeitung an andere Behörden weitergeleitet wurden), 1797 - 1806.
Die Minüten bilden mit 129 Bänden die umfangreichste Gruppe. Die sog. Supplemente (16 Bde) und Fragmente (2 Bde) überschneiden sich zeitlich mit der durchgehenden Bandreihe. Die Signierung wurde bis Bd. 94 (1795) beibehalten, die folgenden Minütenbände, die die Signatur Rep. 89 trugen, wurden umsigniert und mit fortlaufenden Nummern versehen. Der im Bestand Rep. 96 A unter Tit. 59 Nr. 6 befindliche Band "Kopien sekreter Kabinettsorders" aus der Zeit von 1799 - 1806 wurde dem Titel entnommen und an entsprechender Stelle in die Minüten eingeordnet.
Für einzelne Minütenbände sind bereits im Kabinett Register angelegt worden, die sich in den entsprechenden Bänden befinden. Für die Bände 1-3, 20, 31, 33, 39, 42, 45-46, 49-50, 54-55, 59-60, 63-64, 66-68 und 79 - es handelt sich dabei vorwiegend um die Supplementbände - wurden um die Jahrhundertwende Register erarbeitet. Sie enthalten vor allem die Namen der Adressaten, z. T. sind auch in den Kabinettsordern auftretende Personennamen und Sachbetreffe mit aufgenommen worden. Die in den Registern zu den Bänden 20, 31, 33, 39, 42, 45-46, 50, 54-55, 59-60, 63-64, 67-68 und 78 ausgewiesenen Namen wurden in das Gesamtregister zum Bestand Rep. 96 (1713 - 1786) nachgetragen. Die nachträglich zu den Minütenbänden angefertigten Register wurden nicht in diese eingeheftet, sondern sind in einer Mappe untergebracht worden. Bei der Neubearbeitung des Bestandes in den Jahren 1976 - 1978 wurden sie den entsprechenden Bänden beigegeben bzw. geheftet, im letzteren Falle wurden die Register mit einer Strichnummer versehen und an entsprechender Stelle eingeordnet. Da die Signaturen der Minüten sich nicht geändert haben, brauchten auch die Nummern im Register von Rep. 96 nicht verändert zu werden.
Die Abschriften der Minüten geben bis 1800 den gesamten Text der Kabinettsordern unter Weglassung der Courtoisie wieder. Nach 1800 wurde an Stelle der vollen Abschrift in der Regel nur eine Kurzfassung angefertigt, z. T. ist nur die eigentliche Entscheidung festgehalten worden. Obwohl die Reihe der Minütenbände sehr umfangreich ist, sind in ihnen dennoch nicht alle aus dem Kabinett ausgegangenen Kabinettsordern enthalten.
Bei der Gruppe II, Extrakte von Suppliken und Berichten für die Vorträge im Kabinett, handelt es sich vorwiegend um Eingaben privater Natur. Die Extrakte umfassen 43 Bde aus dem Zeitraum von 1764 bis 1792 bzw. 1798. Da die Nummern der Bände sich teilweise mit denen der Minüten überschneiden, wurde eine Umsignierung vorgenommen. Die den Extrakten gegebenen lfd. Nummern schließen an die der Minüten an.
Die Extrakte aus der Zeit von 1764 bis 1773 tragen in der Regel Marginaldekrete Friedrichs II. Seit 1773 sind die Resolutionen des Königs fast ausschließlich von den Kabinettssekretären vermerkt worden.
Die in der Gruppe III untergebrachten Remissionsjournale sind wahrscheinlich, wie die Signaturen vermuten lassen, von F. Meinecke bei der Bearbeitung des Bestandes Rep. 89 (1797 - 1806) ebenso wie die Minüten ab 1797 in den Titel 59 von Rep. 89 eingearbeitet worden. Es handelt sich dabei um Journale von Suppliken und Berichten, die zur Bearbeitung an andere Behörden abgegeben wurden. In den Journalen sind das Datum des Eingangs im Kabinett, Absender, Betreff und die Behörde, an welche die Schreiben abgegeben wurden, vermerkt. Die Reihe umfaßt nur fünf Bände aus der Zeit von 1753 bis 1806 mit einer Lücke von 1757 bis 1796.
Merseburg, im Mai 1978
Dr. Kohnke Dipl.-Archivarin
Durch den Erwerb eines weiteren Bandes (Nr. 179) wurde im Jahr 2001 die Anzahl der Extrakten-Bände auf 44 erhöht und deren Laufzeit auf 1763 - 1792 bzw. 1798 ausgedehnt. Mücke, 15.02.2002
Im Nov. 2010 wurde der Bestand in die Datenbank übertragen. Mücke, 25.11.2010 |