Vorwort: Behördengeschichte Fiskale sind in Brandenburg schon im 16. Jahrhundert nachweisbar. Im Jahre 1704 wurde ein Generalfiskalat als Zentralbehörde eingerichtet. Dem Generalfiskal, der ungefähr die Funktion eines obersten Staatsanwaltes innehatte, oblag die Wahrung der landesherrlichen Gerechtsame und die Kontrolle über die Einhaltung der Gesetze. Er wachte ferner über die Tätigkeit der Behörden und Gerichte ihrer Beamten. Dem Generalfiskal in Berlin waren die Fiskale in den Provinzen mit Ausnahme von Schlesien unterstellt, das zwei eigene Oberfiskale mit Sitz in Breslau und Glogau hatte.
Zum Aufgabenbereich des Generalfiskals gehörten auch Angelegenheiten der Juden, so die Kontrolle der festgelegten Zahl der jüdischen Familien in Berlin und in den einzelnen Provinzen und die Überwachung der Einhaltung geltender Reglements und anderer rechtlicher Bestimmungen. Er hatte Stellungnahmen bei der Erteilung von Schutzbriefen und Konzessionen abzugeben und wirkte bei der Gesetzgebung für die Juden mit. Seit 1750 hatte er die jährlich von den Kriegs- und Domänenkammern anzufertigenden Judentabellen für Berlin und die einzelnen Provinzen zu prüfen, seit 1758 auch die Tabellen der jüdischen Hausbesitzer. Bei der Erledigung von Judensachen arbeitete der Generalfiskal mit dem Generaldirektorium zusammen.
Das Generalfiskalat ist im Rahmen der Reorganisation der preußischen Zentralverwaltung im Jahre 1809 aufgehoben worden. Die Angelegenheiten der Juden gehörten fortan zum Ressort des Ministeriums des Innern. Der letzte Generalfiskal Johann Friedrich Wilhelm Köhler, der dieses Amt seit 1802 ausübte, war seit 1809 in der Abteilung für allgemeine Polizei des Ministeriums tätig und bearbeitete hier die Judensachen. Für die Angelegenheiten des Kultus der Juden war seit 1817 das im selben Jahr errichtete Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten zuständig.
Das einschlägige Werk zur Geschichte des Fiskalats ist: - Eberhard Schmidt: Fiskalat und Strafprozeß: Archivalische Studien zur Geschichte der Behördenorganisation und des Strafprozeßrechtes in Brandenburg-Preussen, München 1921 (Dienstbibliothek des GStA PK: Signatur 19 V 33:25).
Bestandsgeschichte Die Registratur des Generalfiskalats hat bereits im 18. Jahrhundert infolge schlechter Unterbringung und mangelnder Betreuung Verluste erlitten. Die hier vorliegenden Akten wurden zum größten Teil im Jahr 1838 an das Geheime Staatsarchiv abgegeben und dort mindestens die Akten eher allgemeineren Inhalts den alten Reposituren (Rep. 9 AV, Rep. 49, Rep. 63, Rep. 21 u.a. zugeschlagen. Vermutlich bei der Bearbeitung des Bestandes in den Jahren 1876/77 wurden im Gefolge der Einführung des Provenienzprinzips diese Akten dort wieder herausgezogen und dem eigenen Bestand zugewiesen. Allerdings wurden dabei auch zahlreiche Akten (zumal über Juden) aus der Zeit von 1716 bis 1812 vernichtet, da sie den Archivaren nicht als aufhebenswert erschienen. Die kassierten Akten betrafen allgemeine Angelegenheiten und Einzelfälle sowie Judentabellen vorwiegend aus der Zeit vor 1794.
Infolge der Auslagerung im 2. Weltkrieg 1942-44 in das Bergwerk Staßfurt gelangte dieser Bestand nach dem Krieg in das Deutsche Zentralarchiv der DDR in Merseburg; er wurde Anfang der neunziger Jahre in die Obhut des Geheimen Staatsarchivs PK zu Berlin überstellt und im Jahr 1993 dorthin überführt. Zum Bestand zählen auch 37 Archivalien, die wohl – es kann nur vermutet werden – ihres allgemeineren und justizbezogenen Inhalts wegen seinerzeit aus der Registratur des aufgelösten Generalfiskalats an das Kammergericht gingen und, nach entsprechender archivischer Abgabe An das GStA, aus dem Bestand "I. HA Rep. 97 Kammergericht" im Rahmen einer Bearbeitung kurz vor dem Krieg dann ausgesondert wurden. Die geplante provenienzgerechte Vereinigung mit dem Hauptbestand scheint kriegsbedingt dann nicht mehr durchgeführt worden und die Akten auch nicht mehr zur Auslagerung gekommen zu sein. Sie bildeten nach dem Krieg die "Dahlemer" I. HA Rep. 104 und wurden im Rahmen der Neuverzeichnung mit dem "Altbestand" schließlich vereinigt.
Bestandsverzeichnung Das vorliegende Findbuch ist das Ergebnis einer Neuverzeichnung sämtlicher Archivalien des Bestandes; es löst das bisherige Findbuch vom Ende des 19. Jahrhunderts ab. Wo vorhanden, wurden die Inhaltsangaben für einzelne Akten, wie sie im Inventar "Quellen zur Geschichte der Juden in den Archiven der neuen Bundesländer, Bd. 2: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Teil 1. Ältere Zentralbehörden bis 1808/10 und Brandenburg-Preußisches Hausarchiv, hrsg. von Meta Kohnke und Stefi Jersch-Wenzel, München 1999" vorliegen, überprüft, ggfs. überarbeitet und übernommen. Die Signaturen der Archivalien wurden – obwohl etwas sperrig – nicht geändert, damit Verweise in der älteren Literatur nachvollziehbar bleiben. Die obigen Ausführungen zum Amt und zum Bestand des Generalfiskalats sind eine überarbeitete Übernahme aus dem genannten Quelleninventar.
Bestandsbeschreibung Die Archivalien des Bestandes lassen sich gemäß dem Aufgabengebiet des Generalfiskals in zwei Gruppen aufteilen: Die eine Gruppe bilden die allgemeinen Staatsangelegenheiten, die Gesetze und Verordnungen, die Untersuchungen, die der Generalfiskal als Sachwalter der staatlichen (v.a.: finanziellen, ergo "fiskalischen") Interessen zu führen hatte.
Die andere Gruppe bilden die Akten, die sich mit dem "Judenwesen", wie es die Zeit nannte, sowohl allgemein als auch bis in die Details der Erfassung nach Provinzen und Städten befaßten. Der Bestand enthält einige wenige Akten über allgemeine Angelegenheiten der Juden, darunter über das Zustandekommen des Generaljudenreglements von 1750 und dessen Durchsetzung, über Schutzgelder und andere Abgaben, über die Erteilung von Schutzbriefen und Konzessionen, über die Silberlieferungen und über das sogenannte Judenporzellan. Hingewiesen sei auch auf drei Aktenbände mit Edikten, Verordnungen und Bestimmungen für Juden aus der Zeit von 1703 bis 1810 (I. HA Rep. 104, Nr. 22, Nr. 23, Nr. 24, Nr. 36). Es handelt sich dabei um Abschriften, teilweise auch um Drucke, die den Generalfiskalen offensichtlich als Kompendium dienten. Den Schwerpunkt der Überlieferung hinsichtlich der Geschichte des Judentums bilden aber die jährlichen Tabellen von Juden und ihren Familienangehörigen sowie der privaten und öffentlichen Bediensteten in Berlin und den einzelnen Provinzen und Territorien. Es fehlen Tabellen für die aus der zweiten und dritten Teilung Polens hervorgegangenen Provinzen Südpreußen und Neuostpreußen, ebenso für Schlesien, das, wie eingangs erwähnt, zwei eigene Oberfiskale hatte. Hervorzuheben sind ferner Listen jüdischer Hausbesitzer und Quartalslisten der Heiraten, Geburten und Todesfälle. Die zuletzt genannten Unterlagen stammen aus der Zeit von 1737 bis 1812, dokumentiert sind jedoch hauptsächlich die Jahre 1794 bis 1810. Tabellen über Juden sind nach dem Erlaß des Emanzipationsedikts vom 11. März 1812 nicht mehr angefertigt worden.
Im Titel 1003 (= Abt. I Sekt. 34, Judensachen) der I. HA Rep. 77 Ministerium des Inneren befinden sich Judentabellen für Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, die Kurmark, die Neumark und für Westfalen für die Zeit von 1806 bis 1810 sowie Tabellen der jüdischen Hausbesitzer in Ostpreußen, 1805 bis 1810, und in der Neumark, 1809 und 1810. Überhaupt übernahm vor allem das preußische Innenministerium die wesentlichen Aufgaben des Fiskalats, eben auch die Zensurangelegenheiten und "Judensachen"; für die Zeit nach 1807 sind die entsprechenden Sektionen in dessen General- bzw. Polizeiabteilung heranzuziehen (Abt. I, Sektion 34, Abt. II Sekt. 9).
Verwiesen sei auch auf die Geheimratsrepositur "GStA PK, I. HA GR Rep. 49 Fiskalia" und auf die Überlieferung des Generaldirektoriums (GStA PK, II. Hauptabteilung) mit zahlreichen Betreffen zu Angelegenheiten der Juden in Preußen (siehe die "Bestandsgruppen-Analyse" unter https://spktrum.spk-berlin.de/receive/spktrum_mods_00000085).
Formalangaben zum Bestand: Umfang in laufenden Metern: 4,5 lfm (363 Verzeichnungseinheiten) Lagerungsort : Magazin Westhafen
Zitierweise: GStA PK, I. HA Rep. 104 Generalfiskalat
Nutzung: Die Archivalien des Bestandes sind aus konservatorischen Gründen nur als Digitalisate einsehbar. Die Digitalisate der Archivalien sind gemeinfrei und stehen unter der „Public Domain Mark 1.0“
Mai 2021 Dr. Kober, OAR |